Für die Dekolonisierungskriege in Afrika benötigte Portugal modernes Kriegsmaterial und fand dafür einen wichtigen Partner in der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen beiden Staaten entwickelte sich eine enge militärische Kooperation, die dieser Artikel anhand von zwei Erinnerungsorten betrachtet: Der Hamburger Schiffswerft Blohm+Voss und der Fábrica Militar Braço de Prata in Lissabon.
Nach dem Ausbruch der Befreiungskämpfe in Angola, Guinea und Mosambik sah sich das Estado Novo-Regime Mitte der 1960er Jahre mit drei Guerilla-Kriegen in Afrika konfrontiert. Während die afrikanischen Befreiungsbewegungen für die Unabhängigkeit kämpften, schickte die Lissabonner Regierung Truppen nach Afrika und rekrutierte Soldaten vor Ort, um den Kolonialbesitz zu verteidigen. Um die Kriege gegen die Guerilla-Kämpfer führen zu können, brauchte das politisch und wirtschaftlich isolierte Portugal dringend modernes Kriegsmaterial. Die Regierung in Lissabon suchte Hilfe bei ihren westlichen Verbündeten in den USA, Frankreich und Großbritannien. Fündig wurde Portugal aber besonders in der Bundesrepublik Deutschland.
NATO-Verbündete und die Dekolonisierung
Dem Diktator António Salazar war es durch eine neutrale Pendelpolitik im Zweiten Weltkrieg gelungen, Portugal zu einem der Gründungsmitglieder der NATO zu machen. Als die Bundesrepublik 1955 ebenfalls der NATO beitrat, waren die beiden Staaten damit formal militärische Verbündete. Bereits vor Ausbruch der Kriege in den Kolonien suchte Portugal Ende der 1950er Jahre Hilfe, um seine Armee und Rüstungsindustrie zu modernisieren. Die westdeutsche Regierung in Bonn plante zeitgleich einen Militärstützpunkt im Ausland anzulegen, der im Fall eines Krieges außerhalb der sowjetischen Reichweite lag. Portugal war dafür geradezu prädestiniert. Im Austausch für Rüstungsgüter und die Technologie zur Herstellung moderner Waffen genehmigte Lissabon der Bundesrepublik, nahe zu Beja im Alentejo einen Militärflughafen aufzubauen. Anfang der 1960er Jahre entstand so eine enge militärische Kooperation zwischen beiden Staaten. Davon profitierte besonders die portugiesische Armee, die in den folgenden Jahren in Angola, Mosambik und Guinea in blutigen Guerillakriegen mit modernen Waffen kämpfte. Die Bundesrepublik wurde zu einem der wichtigsten Lieferanten von Rüstungsmaterial und half damit Portugal, die militärischen Kapazitäten aufzubauen, die nötig waren, um die Kriege in Afrika führen zu können. Bis heute erinnern zwei prominente Orte in Hamburg und Lissabon an diese militärische Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Dekolonisierungskriege.
Deutsche Waffentechnik produziert in Lissabon
Durch die NATO-Allianz begannen portugiesische Waffenfabriken ab Ende der 1950er Jahre, Munition für verbündete Streitkräfte herzustellen. Dafür erhielten die Betriebe moderne Maschinen und das nötige Know-How – auch aus Westdeutschland. Ein zentraler Produktionsort lag im Nordosten Lissabons. Im Stadtteil Marvila, günstig gelegen zwischen dem Tejo-Ufer und der Bahnstrecke nach Porto, wurde hier bereits zwischen 1904 und 1908 eine Fabrik zur Herstellung von Kriegsmaterial errichtet. Seit 1911 war sie unter dem Namen Fábrica Militar Braço de Prata bekannt, meist abgekürzt als Fábrica Braço de Prata. Durch die militärische Kooperation mit Westdeutschland und anderen NATO-Verbündeten wurde die Fabrik in den 1950er Jahren modernisiert und erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Luftaufnahme der Militärfabrik Braço de Prata, 1950. © Arquivo Municipal de Lisboa, SPT000196
Anfang der 1960er Jahre wurde die Fábrica Braço de Prata zu einem wichtigen Standort der deutsch-portugiesischen Rüstungskooperation. 1962 begann hier die Lizenzproduktion des westdeutschen Schnellfeuergewehres G3, in Portugal auch bekannt unter der Bezeichnung Espingarda G3 m/961. Der Hersteller Heckler & Koch lieferte der portugiesischen Regierung gegen eine Gebühr die nötigen Pläne, Maschinen und Bauteile. 1965 wurde das G3 zur Standardwaffe der portugiesischen Armee, die mittlerweile über 150.000 Stück verfügte. Insgesamt wurden zwischen 1962 und dem Ende der Dekolonisierungskriege 1974 298.395 G3-Gewehre in der Fábrica Braço de Prata hergestellt. Die portugiesische Armee setzte sie großflächig in den Kriegen in den Kolonien ein. Aufgrund der großen Bedeutung des Gewehrs für das Militär bezeichnete es der Historiker José Telo als „die Waffe, die den Krieg in Afrika führte“ (Telo 1994, S. 363).
Die Gewehrproduktion in der Fábrica Braço de Prata war trotz des Technologietransfers auf die Kooperation mit Westdeutschland angewiesen. Bis 1967 wurden zwar 84 Prozent der Bauteile vor Ort hergestellt, die Produktion einiger Kleinteile wäre in der Fábrica Braço de Prata jedoch nicht wirtschaftlich gewesen, weshalb sie weiterhin aus der Bundesrepublik geliefert wurden. Da im In- und Ausland heftige Kritik an der militärischen Zusammenarbeit mit Portugal geäußert wurde zögerte die westdeutsche Regierung Anfang der 1970er Jahre, die benötigten Teile an die Fábrica Braço de Prata freizugeben. Um die guten Beziehungen mit Lissabon und die lukrativen Geschäfte aufrecht zu erhalten, wurde der Export letztendlich aber doch genehmigt.
Hamburger Kriegsschiffe für Portugal
Werftgelände von Blohm + Voss 2009 © Gemeinfrei, CC BY-SA 3.0. Foto: Alexander Sölch (Aliosos), Blohm + Voss
Offener Brief der MPLA an Blohm+Voss April 1969 © Archiv der Universität Hamburg
Die Korvette João Cutinho nach dem Bombenanschlag im Oktober 1969 © Conti-Press / Staatsarchiv Hamburg
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