Yaya Jabbi Circle in St. Pauli

© Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi

Yaya Jabbi Circle in St. Pauli

Auseinandersetzung um ein „Denk-Mal“ und ein Erinnern daran, dass Rassismus tötet

Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi
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Am 19.2.2016 starb der 26 Jahre alte Yaya Jabbi in der Untersuchungshaftanstalt Hahnöfer Sand. Seine Geschichte und auch die des Ringens um ein Erinnern an ihn stehen stellvertretend für die Geschichte vieler junger Schwarzer Männer, die in St. Pauli versuchen, Fuß zu fassen und dabei von der Mehrheitsgesellschaft zurückgewiesen werden. 

Neben der Reeperbahn und den Landungsbrücken sind die Stahlpalmen im „Park Fiction“ eines der beliebtesten Fotomotive der zahlreichen Tourist*innen die den wohl bekanntesten Stadtteil Hamburgs besuchen. Kaum einem*r Besucher*in wird dabei bewusst sein, dass es sich bei dem Park mit dem schönen Blick auf den Hafen um die Dachbegrünung der Turnhalle einer benachbarten Schule handelt. Und ebenso unbekannt dürfte vielen sein, dass diese sehr spezielle Begrünung Ergebnis langer Auseinandersetzungen einer Anwohner*inneninitiative für einen lebenswerteren  Stadtteil war. 

Gegen die Begehrlichkeiten namhafter Konzerne an dieser Stelle ihre Firmenzentrale zu errichten, setzten sich in den späten 90er Jahren die  Anwohner*innen der armen aber engagierten Nachbarschaft durch, den Stadtteil nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Mit Palmen aus Stahl, die den Traum von entfernten Reisezielen real werden ließen, einem eigenen Hundeauslaufplatz, einem fliegenden Teppich aus Rasen und vielen anderen liebevollen Details ist der „Park Fiction“ das Ergebnis einer kollektiven Wunschproduktion die vom „Park Fiction“ Komitee koordiniert wurde. In Gedenken an Yaya Jabbi, der sich häufig im „Park Fiction“ aufhielt, soll nun die begrünte Verkehrsinsel eines kleinen Kreisverkehres, die östlich direkt an das Gelände des „Park Fiction“ angrenzt, als „Yaya Jabbi Circle“ benannt werden. 

„The first place he knew here in Hamburg was Park Fiction. He lived in a village in Gambia and behind this village was a palm tree. He used to go, and take some nuts from the palm tree, and he used to make something from the palm tree. So it reminds him of seeing himself in Germany but also seeing himself in his village“ [1]

Nachdem er im Januar 2016 im Besitz von 1,65g Cannabis festgenommen wurde, geriet er unvermittelt in vierwöchige Untersuchungshaft. Angesichts der ausstehenden Legalisierung von Cannabis eine drakonische, ja willkürlich erscheinende Maßnahme, der sich ein beliebiger junger Mann aus den reichen Elbvororten niemals hätte stellen müssen. 

Am 19.2.2016 starb Yaya Jabbi mit 26 Jahren in der Jugendhaftanstalt Hahnöfer Sand. Mit großen Hoffnungen und völlig gesund war er, wie so viele andere, wenige Monate vorher nach St. Pauli gekommen, dorthin, wo etwas los war, wo es Freund*innen und eventuell ein Auskommen gab – am Ende war Yaya tot.

Angehörige und Nachbar*innen hat dieser unvermittelte Tod erschüttert, fassungslos und nachdenklich gemacht. Unmittelbar nachdem die Nachricht die Runde gemacht hatte, gab es ein erstes Nachbarschaftstreffen, die Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi wurde gegründet. Nicht nur sein Tod, sondern auch das Schweigen darüber, die Zurückweisung und verweigerte Nachbarschaft vieler anderer Nachbar*innen hat uns getroffen. Mit Texten und Flugblättern, Veranstaltungen im benachbarten Stadtteilzentrum, mit Nachbarschaftsgrillen und jährlichen Gedenkveranstaltungen haben wir die Auseinandersetzung um das Erinnern und Gedenken seines Todes in St. Pauli Süd gesucht. Wir haben versucht, der nachträglichen Ausbürgerung Yayas aus der Hamburger Stadtgesellschaft entgegenzuwirken.

Gedenken kurz nach Jabbis Tod an seiner Lieblingsbank im „Park Fiction“, Hamburg, 2017 © Daniel Manwire

How to re-member? - Kommunikation in den Stadtteil

Als viel schwieriger als die Unterstützung der Angehörigen stellt sich die Kommunikation um das Denk-Mal mit dem Stadtteil heraus.

„Remember to act – erinnern um zu handeln!“ hieß schon die erste Konferenz in Gedenken an Yaya Jabbi 2017. Doch wie soll ein Gedenken aussehen, dem sich ein Großteil der Gesellschaft verweigert?

Das Denk-Mal kann nicht auf das wohlwollende Interesse der Adressierten setzen, es muss sich sichtbar machen, sich in die gewohnten Sichtachsen des Stadtteils schieben.

Wir haben versucht zu re-membern, dem finalen Ausschluss aus der Stadtgesellschaft durch seinen Tod zu widersprechen und ihn zurück in unsere Nachbarschaft zu holen. „To make him a member of St. Pauli again“. Der Ansatz eines Denk-Mals ist dabei nur ein Teil dieser Suchbewegung  - ein wichtiger Teil.

„The worst thing about Park Fiction - People of Colour are always a target of control. But when in Park Fiction the sun is shining and a lot of white people also are here and the white, the Blacks and the Arabs are all together, the police, they don‘t control at that time. But when it is very cold and not so sunny, and the Black people are alone and only some Arabs are here, then they will get controlled.“ [2]

Bei den Überlegungen zum Denk-Mal für Yaya Jabbi stand für uns u. a. die Frage im Raum: 
Wie konnte es dazu kommen, dass er im staatlichen Gewahrsam zu Tode kam, und staatliche Institutionen ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden?
Was waren die gesellschaftlichen Bedingungen, die diesem Tod vorausgingen?
Bestehen diese Bedingungen noch immer?
Wie kann diesen Bedingungen entgegengearbeitet werden?
Wie kann der Tod Yayas sichtbar gemacht werden?
Es ist eine Denkbewegung, die vom gesamten Stadtteil einzufordern ist, denn „Black Lives Matter“, auch in unsere Nachbarschaften, nicht nur in den USA. Leider sind nur ähnlich wie dort die Widerstände massiv, wenn es um den eigenen Kiez, den eigenen Vorgarten geht.
Ein Denk-Mal für Yaya Jabbi ist auch das Ringen um die Sichtbarkeit von Individuen hinter den rassistischen Projektionen der Mehrheitsgesellschaft (Schwarze Dealer), ein Ringen darum sie der Anonymität der kolonialen Bilderwelten (Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann) zu entreißen und darauf zu bestehen, das unsere Nachbar*innen, jede*r Einzelne, eine eigene Geschichte, eigene Wege hat, die sich in St. Pauli Süd kreuzen.
„Pudel was one of his favourite places, because he always found nice people there, not push-and-pulling, no racism, no sexism, no homophobic, so – it‘s kind of nice. And also Park Fiction is also Anti-Fascist. It‘s 50/50 here it‘s not like only German people are here, it belongs to everyone.“ [3]

Straßenschild Yaya Jabbi Circle, Hamburg, 2018. Das Schild wurde in weniger als 48h von der Stadtverwaltung entfernt. © Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi

Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Rassismus basiert auf der Konstruktion des Anderen. Diese Konstruktion ist flexibel und dynamisch, greift aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen auf, differenziert die rassistische Markierung je nach Bedarf und greift dabei auf eine z.T. jahrhunderte alte Geschichte und Bilderwelt zurück.

„Unter Rassismus verstehe ich nicht eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeitseinstellung, sondern ein explizit gesellschaftliches Verhältnis der Fremdmachung, das Menschen auf eine bestimmte Weise in hierarchische Beziehungen zueinander setzt. Dieses Verhältnis wird immer wieder durch die Aktualisierung eines rassistischen Wissens neu begründet, medial und individuell plausibilisiert und stellt praktisch neue Grenzen der Zugehörigkeit in der Einwanderungsgesellschaft her.“ [4]

Im Moment der Markierung durch die Mehrheitsgesellschaft wird die Persönlichkeit der markierten Person unsichtbar gemacht, sie wird vom Subjekt zum Objekt, zum Gefäß der rassistischen Vorannahmen und Imaginationen der Mehrheitsgesellschaft. Mit der Lebensrealität, mit der individuellen Biographie der markierten Person haben diese Vorannahmen nichts zu tun, und dennoch sind sie es, die den öffentlichen Raum, die öffentliche Wahrnehmung der Mehrheitsbevölkerung prägen.

Wenn junge Schwarze Männer in einer Gruppe in St. Pauli stehen, dann werden sie wahrgenommen, und angenommen, dass sie nicht zu St.Pauli gehören, dass ihre Anwesenheit die gefährlicher Anderer sei.

Dabei wird die Tatsache negiert, dass Schwarze Hamburger*innen seit mehr als hundert Jahren den Stadtteil, ihren Stadtteil, prägen, ihn leben und den öffentlichen Raum nutzen.

Rassismus produziert dabei das Paradoxon, dass die Sichtbarkeit nicht die Sichtbarkeit einer Person ist, sondern die der Projektion über diese Person. Die Sichtbarkeit wird dabei nicht von den sichtbar-Gemachten hergestellt, in dem sie sich absichtlich auffällig verhalten oder bewusst auffallend kleiden, sondern von den selbst unmarkierten bzw. un“aufälligen“ Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft. Diese Sichtbarkeit ist damit zum einen der Kontrolle der rassistisch markierten Personen entzogen, das heißt Schwarze Menschen können sich nicht entscheiden, ob sie auffallen oder nicht, und zum anderen gefährlich, denn die Sichtbarkeit geht mit der Konstruktion des gefährlichen, bedrohlichen Anderen einher. Junge Schwarze Männer werden daher zu allen möglichen Tageszeiten und an jedem erdenklichen Ort zum Verkauf von Drogen aufgefordert, ganz egal ob sie in den Handel mit BtM verwickelt sind oder nicht. Diese Sichtbarkeit und die damit einhergehende Projektion hat aber auch zur Folge das junge Schwarze Männer in St.Pauli ständiger polizeilicher Überwachung unterworfen sind!

Ein Ort des Erinnerns

Neben dem oben beschriebenen Sichtbarmachen gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse in der Mehrheitsgesellschaft, dem Ringen um re-membering, sollte die Frage nach dem Trauern und Erinnern der Angehörigen und Bekannten der Toten einen gleichwertigen Raum beanspruchen können. In diesem Fall geht es also um die Frage, ob ein Denkmal für Yaya Jabbi auch den Bedürfnissen der Angehörigen und Freund*innen gerecht wird.

Diese haben neben der jährlichen Gedenkveranstaltung vor allem einen Platz zum Verweilen eingefordert. Nicht nur Yaya saß gerne am „Park Fiction“, auch seine Freund*innen und sein Bruder mögen diesen Platz, die Weite des Blickes und den Moment des sich Niederlassens, auch als Metapher für Yayas generellen Wunsch: Ein Ort, um anzukommen und zu bleiben, ein Ort, um zu verweilen, der aufgezwungenen Rastlosigkeit, die ein Leben am Rande der Illegalisierung bedeutet, für einen selbstgewählten Moment zu entrinnen.

„He loved Park Fiction a lot and did often hang out here with his friends, which are also from Gambia. They shared a lot of ideas and joys together, thats how many people knew him in the neighbourhood.
He loved the arts of the park fiction like the palms and other styles and always wanted to socialise with the people who are coming here.
His friends and relatives always remember the moments with Yaya, when he was alive, anytime when they are in park fiction.“ [5]
Gedenktafel für Yaya Jabbi, Hamburg, 2018. Ebenso wie das Schild, wurde die Tafel binnen 48 Stunden entfernt. © Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi

Zu Yaya Jabbi

Seit 2017 findet alljährlich am Todestag Yayas eine Gedenkkundgebung am Yaya Jabbi Circle statt. 2018 brachte die Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi aus diesem Anlass ein Straßenschild und eine Gedenkplakette auf dem Yaya Jabbi Circle an. Nur wenige Stunden später wurden diese vom Bezirk Hamburg Altona mit schwerem Gerät wieder entfernt. Im Folgenden dokumentieren wir den deutschen Text der Gedenkplakette:
„Yaya Jabbi wurde 1989 geboren und wuchs in Gambia, Westafrika, auf. Er lebte mit seiner Familie und ging zur Schule. Nach der Schule half er auf den Feldern der Familie. Die ganze Familie und alle Nachbar*innen mochten ihn, denn er hat immer Freude, Glück und Liebenswürdigkeit geteilt. Er arbeitete hart und lernte gerne. Als er 15 Jahre alt war, entschied er sich eigenständig, seine Bildung weiterzuführen, und ging aus seiner Heimatstadt in eine weit entfernte Schule, um Islam und den Qur’an zu studieren. Im August 2013 verließ er Gambia und ging nach Libyen. Im Oktober 2013 überquerte er erfolgreich das Mittelmeer, um dem Krieg zu entkommen und ein besseres Leben zu finden. In Italien wohnte er zusammen mit seinem Bruder in einem Heim für Geflüchtete. Als sein Bruder nach Deutschland ging, folgte Yaya ihm nach ein paar Tagen. Wieder wohnten sie zusammen in einem Heim in Halberstadt, in Ostdeutschland. Yaya versuchte, Arbeit zu finden und sich in Sachsen-Anhalt niederzulassen, aber er bekam keine Arbeitserlaubnis. Weil sie keine Möglichkeit sahen, in Sachsen-Anhalt ein Leben aufzubauen, kamen die Brüder nach Hamburg. Yaya kam im November 2014 an. Hier suchte er weiterhin nach Arbeit und fand eine Teilzeit-Stelle.
Yaya wurde am 14. Januar 2016 von der Polizei am Hamburger Berg festgenommen. Er wurde beschuldigt, 1,65 Gramm Cannabis zu besitzen. Vier Tage später wurde er nach Hahnöfersand gebracht. Kurz bevor er entlassen werden sollte, wurde er am 19. Februar 2016 tot in seiner Zelle gefunden. Laut Justizbehörde hat Yaya Suizid begangen. Laut Justizbehörde gab es jedoch im Vorwege keine Anzeichen einer möglichen Suizidgefahr. Weder das sogenannte Suizidscreening ergab dazu Anhaltspunkte noch berichteten die Beamten, die am Abend des 18. Februar 2016 gegen 18.30 Uhr die Zelle verschlossen, irgendetwas Auffälliges.
Yaya war gläubiger Muslim und weder seine Familie noch seine Freunde sahen ihn in Gefahr, Suizid zu begehen. Er wird von seiner Familie, seinen Freund*innen und seinen Nachbar*innen schmerzlich vermisst, die ihn als liebenswürdige und fürsorgliche Person liebten und respektierten.
Möge seine Seele in Frieden ruhen."

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Fußnoten

[1] Abu Jabbi, Bruder von Yaya Jabbi im Gespräch mit dem Park Fiction Komitee, 2018.

[2] Abu Jabbi, Bruder von Yaya Jabbi im Gespräch mit dem Park Fiction Komitee, 2018.

[3] Abu Jabbi, der Bruder Yayas im Gespräch mit dem Park Fiction Komitee, bei der gemeinsamen Pflege des Circles, 2018.

[4] Vassilis S. Tsianos, „Stop and search die ,Hautverdächtigen’: Warum es so schwierig ist von institutionalisiertem Rassismus im Kontext von Racial Profiling zu reden“, in Standpunkt: Sozial 1 – Racial Profiling, 2018. 

[5] Abu Jabbi, der Bruder Yayas im Gespräch mit dem Park Fiction Komitee, bei der gemeinsamen Pflege des Circles, 2018.