Diskussion

05

Mai

2021

18h00 - 20h00

Online

Im Rahmen der Diskussionsreihe „Gedenken und Dekolonisieren in der (post)kolonialen Stadt“, 05.05. - 07.05. 2021, vom Goethe-Institut Portugal

Die kolonialen Spuren in der Stadt und den Körpern

Am Beispiel Lissabon diskutieren die Wissenschaftlerin und Buchautorin Isabel Castro Henriques, der Aktivist Mamadou Ba und der Community-Betreuer und -Projektleiter António Brito Guterres über die kolonialen Spuren, die in der Stadt bis heute sichtbar sind. Thematisiert werden die historischen Wege der Afrikaner*innen, die Frage, wie eine rassistisch geprägte Geografie das Verhältnis zwischen dem in der Stadt sein und dem zur Stadt gehören strukturiert und die (post)koloniale Organisation der Metropole.

Moderation: Marta Lança

 

Eine Zusammenarbeit zwischen dem Teatro do Bairro Alto und dem Goethe-Institut Portugal.

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Biografien

ANTÓNIO BRITO GUTERRES
Er ist in der Community-Arbeit in lokalen Projekten in verschiedenen Bezirken des Großraums Lissabon tätig und leitete eine Vielzahl von Community-Projekten. Er forscht am Dinâmia-Iscte/IUL (Centre for Socioeconomic and Territorial Studies). 
ISABEL CASTRO HENRIQUES

Die Historikerin ist Autorin mehrerer Studien zur Geschichte Angolas, Zentralafrikas und São Tomé und Príncipes, zum Kolonialismus und den afro-portugiesischen Beziehungen, der Sklaverei und dem Sklavenhandel sowie zur afrikanischen Präsenz in Portugal. Sie war Präsidentin des Zentrums für Afrikastudien an der FLUL, ist seit 2013 Forscherin am Zentrum für Afrikastudien (CESA) am ISEG - Universität Lissabon und war Mitglied des internationalen wissenschaftlichen Komitees des UNESCO-Projekts „The Slave Route“ (UNESCO/Paris) sowie Präsidentin des portugiesischen Komitees dieses Projekts.

Mamadou Ba

Er ist ein antikolonialistischer, antirassistischer Aktivist, der sich für den Kampf um die Menschenrechte von Migrant*innen und rassifizierter Menschen einsetzt. Er hat sein Studium der portugiesischen Sprache und Kultur an der Universität Cheikh Anta Diop Dakar abgeschlossen, ebenso wie ein Übersetzungsstudium an der Universität Lissabon und eine Promotion in Soziologie am Zentrum für Sozialstudien der Universität Coimbra. 

Marta Lança  

Sie promoviert in Kunstwissenschaft über afrikanische Kulturprogramme in Lissabon (FCSH - UNL), ist Herausgeberin der Plattform BUALA (www.buala.org) und Koordinatorin der portugiesischen Seite des Projekts ReMapping Memories Lisboa - Hamburg.

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Synopsen

António Brito Guterres: Die (post)koloniale Organisation der Metropole
Obwohl diese Spuren aus Stein sind und konkrete Orte besetzen, ist ihre Wirksamkeit auch alltäglich, transversal und unveränderlich in der Organisation von Raum, Form und Funktionen des Großraums Lissabon. Bestimmte Orte waren für bestimmte Akteure bestimmt, wodurch diese bestimmten Praktiken, Unterordnungen und Widerständen unterworfen waren.
Isabel Castro Henriques: Historische Wege von Afrikaner*innen in Lissabon (XV.-XX. Jahrhundert)

Die lange Geschichte der Präsenz von Afrikaner*innen in Lissabon wurde ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts demografisch bedeutsam. Sie war geprägt durch die Sklaverei und hinterließ sichtbare und unsichtbare Spuren im portugiesischen Erbe. Heute lassen sich diese Spuren dank der Geschichte und der Erinnerung retten. So können wir Integrationsprozesse und Strategien der Gestaltung des Lebens und der Bewahrung der eigenen Kultur verstehen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch eine jahrhundertealte Verfestigung eines portugiesischen Vorurteils gegenüber schwarzen Menschen und Afrikaner*innen, untermauert durch eine physische („der Schwarze”) und soziale („der Sklave”) Dualität. So wurden die Beziehungen zwischen Portugal und Afrika definiert, und es entstanden diskriminierende Praktiken, deren Dringlichkeit erkannt, angeprangert und beseitigt werden müssen. 

Mamadou Ba: Wie eine rassistisch geprägte Geografie das Verhältnis zwischen dem in der Stadt Sein und dem zur Stadt Gehören strukturiert

Die Beziehung zwischen Präsenz und Besetzung von Territorien durch rassifizierte Menschen ist markiert von symbolischen und physischen Grenzen. Diese bestimmen den Grad der Zugehörigkeit, die Anerkennung, die Nutznießung und die (Selbst-)Identifikation – oder ihre Nichtexistenz – mit dem Stadtgefüge. Die „farbige Linie” strukturiert, wie bestimmte Körper bestimmte Räume bewohnen. Urbane Geografien sind ein politischer Komplex, von dem aus sich die Beziehung mit dem Territorium organisiert. Dabei wird definiert, wer zum kollektiven Gefüge zählen darf und wer nicht und welchen Ort er oder sie in ihm besetzt. Diese Dynamiken spiegeln sich besonders darin wider, wie politische, rassifizierte Subjekte die Stadt wahrnehmen und wie sie innerhalb der Stadt wahrgenommen werden. Die Peripherisierung von Räumen und Körpern wird so Mittel der Stadtplanung und -verwaltung, was zu einem Mangel an urbaner Durchlässigkeit und Kontinuität führt. Sie verweist rassifizierte Menschen an Orte, die in ihrer Funktion und/oder ihrer geografischen Lokalisierung zweitrangig sind. Auf diese Weise oszilliert ihre Präsenz in den Territorien zwischen einem in der Stadt sein und einem zur Stadt gehören. Doch selbst wenn sie sich als Teil der Stadt begreifen, werden sie immer mit einer rassistischen Ordnung konfrontiert, die diese Zugehörigkeit nicht anerkennt. 

Video der Veranstaltung

Video zum Thema

Im Rahmen des Projekts „ReMapping Memories Lisboa-Hamburg: (post)koloniale Erinnerungsorte“ des Goethe-Instituts wurden vier Videos produziert.Sie beinhalten Auszüge von Interviews, die während der Recherche für das Projekt geführt wurden.

Interviewte: Ariana Furtado, José Eduardo Agualusa, Cristina Roldão, Beatriz Gomes Dias, José Baessa de Pina (Sinho)  
Bild und Bearbeitung: Rui Sérgio Afonso 
Interviews und Koordination: Marta Lança 
Musik: Ninho Marimbondo Produções