Israel Kaunatjike

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Israel Kaunatjike
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„Eine solche Tafel hat in der Kirche nichts zu suchen.“

Interview: Anke Schwarzer, 2020/2021

Welcher Ort in Hamburg hat für Sie eine besondere Bedeutung, wenn Sie an die koloniale Geschichte und Gegenwart dieser Stadt denken?

Für mich hat der Hafen eine große Bedeutung, auch das Afrikahaus in Verbindung mit der Woermann-Linie. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Die Woermann-Linie hat eine große Rolle im Kolonialismus gespielt. Mit ihr sind die Soldaten der Schutztruppen nach Namibia geschickt worden. Ein anderer Ort, der mir in den Sinn kommt, ist das Gelände der alten Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld, die von der Wehrmacht gegründet wurde. Ein Kasernengebäude heißt dort „Lothar von Trotha“, nach dem Kommandeur, der große Verbrechen gegen die Ovaherero und Nama begangen hat [1]. So etwas steht immer noch in Hamburg.

Dann auch die Kirche: In der St. Michaelis Kirche hängt eine Gedenktafel, die mich stört. Aber ich meine, dass sie nichts direkt mit Kolonialismus zu tun hat.

Warum finden Sie, dass diese Gedenktafel zu Ehren von Hamburger Kolonialsoldaten nichts mit Kolonialismus zu tun hat?

Eigentlich hat eine Gedenktafel eher etwas mit der Verherrlichung von Kolonialismus zu tun, aber weniger mit dem Kolonialismus vor Ort und mit dem Krieg. Was ich sagen möchte ist, dass die St. Michaelis Kirche nicht direkt beteiligt war, dass sie aber später, nach dem Krieg, die Soldaten geehrt hat – und zwar die Schutztruppe, die auch war an dem Völkermord an den Ovaherero und Nama beteiligt war. Insofern hat sie indirekt mit Kolonialismus zu tun.

„Die Kirche allgemein, nicht unbedingt direkt diese St. Michaelis Kirche, ist in die Geschichte involviert. Das kann man nicht einfach beiseiteschieben."

Man vergisst immer, dass die Kirche, die Missionare die ersten waren, die überhaupt angefangen haben, die Menschen zu konvertieren.

Ich war vor einigen Jahren mit Kollegen in Hamburg. Für uns war es wirklich schockierend zu sehen, dass in einem Gotteshaus so eine Gedenktafel steht. Damals haben wir protestiert und mit dem Pfarrer gesprochen. „Das geht nicht“, haben wir gesagt, „Sie müssen sie ergänzen und über die Bedeutung dieser Tafel aufklären!“

Der Pfarrer hat uns damals versprochen, etwas zu tun. Wir haben von uns aus ein Bild unter der Gedenktafel aufgestellt, das die Verpackung von Schädeln für den Transport von Swakopmund nach Deutschland zeigt. Aber als ich letztes Jahr in Hamburg war, war das Ergänzungsbild verschwunden. Der Pfarrer hat es wohl weggenommen. Das ist ein Gottesmensch, aber er hat sein Versprechen nicht eingehalten. Das finde ich traurig.

Wie sollte Ihrer Ansicht nach mit dieser Gedenktafel verfahren werden? 

Genauer gesagt würde ich die Tafel entfernen. Eine solche Tafel hat in einer Kirche nichts zu suchen. Sie gehört einfach nicht in eine Kirche. Das waren Verbrecher – wie kann man sie in Verbindung mit Religion bringen?

In den 1970er und 1980er Jahren hat sich die evangelische Kirche politisch geändert und sich auch ein wenig gegen das Apartheidsystem engagiert. Umso weniger verstehe ich, warum man immer noch so eine Tafel in der Kirche hat. Wenn man Kompromisse machen will, dann könnte man unter der Gedenktafel eine Ergänzung anbringen und die Kirchgänger darüber aufklären, was die Schutztruppe angerichtet hat. Das wäre ein Kompromiss, aber so kann es nicht bleiben. Das ist das, was ich von der Kirche verlange. Sie soll die Tafel entfernen oder ergänzen.

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Fussnote

[1]  Lothar von Trotha war Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika. Sein Vernichtungsbefehl war Grundlage für den Völkermord an den Ovaherero und Nama[Anm. Redaktion]