郭莹 Ying Guo

© 郭莹 Ying Guo

郭莹 Ying Guo
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„Die Geschichte wird einseitig berichtet.“

Interview: Anke Schwarzer, 2021
Welcher Ort in Hamburg hat für Sie eine besondere Bedeutung, wenn Sie an die koloniale Geschichte und Gegenwart dieser Stadt denken?

 

Ich weiß, was in China während der deutschen Kolonialzeit passiert ist, aber über die Kolonialspuren in Hamburg habe ich nicht so viel Wissen – das möchte ich gerne vorweg sagen. Aber ich kann erzählen, dass in meiner Heimatstadt 天津市 (Tianjin/Tientsin) europäische Länder, darunter auch das Deutsche Reich, das Militär, die Marine, 1895 Konzessionsgebiete, kleine Kolonialorte, eingerichtet haben. Das war noch vor dem Pachtgebiet in 胶州 (Jiaozhou/Kiautschou) mit der Hauptstadt 青岛市 (Qingdao/Tsingtau). 1976 gab es leider ein großes Erdbeben in der Nähe von Tianjin und dabei sind viele alte Gebäude mit deutscher Architektur verschwunden.

In unserer Familie haben wir nicht so viel darüber gesprochen, aber in der Schule, im Geschichtsunterricht wurden die Kolonialzeit und die Opiumkriege als Schwerpunkt behandelt. Das hat alle Kinder betroffen gemacht. Daran habe ich noch eine sehr tiefe Erinnerung.

Ich habe gelesen, dass es hier in Hamburg im 20. Jahrhundert eine kleine Chinatown, ein Chinesenviertel, gab. Da kamen viele Chinesen als Einwanderer, die in Hamburg gearbeitet oder als Seeleute Station gemacht haben. Sie haben hier gelebt, Geschäfte gemacht und haben teilweise auch Deutsche geheiratet. Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele von ihnen von Nazis umgebracht. Ich habe gehört, dass das passiert ist. Zu diesen Ereignissen gibt es auch eine Gedenktafel in der Schmuckstraße.

Ich habe die St. Michaelis Kirche, den Michel, besucht. Dort gibt es eine Tafel, auf der viele Namen von Hamburger Soldaten stehen, die in Afrika und China gestorben, sind „für Kaiser und Reich“ wie es auf der Tafel heißt. Aber es wird nicht erzählt, wie viele Chinesen und Afrikaner dabei gestorben sind. Das ist ein bisschen einseitig. Die Geschichte wird einseitig berichtet.

Welche Möglichkeiten der vielstimmigen Erinnerung an den Kolonialismus sehen Sie in Hamburg?

 

„Es sollte eine Zusammenarbeit mit China stattfinden; zwischen Hamburg und Qingdao oder auch mit meiner Stadt Tianjin.”

Auch die Museen könnten gemeinsame Projekte gestalten und über diesen Teil der Geschichte informieren. In der Schule lernen die Kinder immer noch sehr wenig über Chinas Geschichte. Heutzutage, wenn ich Schüler in meiner Schule danach frage, wissen sie über die Opiumkriege Bescheid, die sie aber mit Großbritannien und Frankreich in Verbindung bringen. Aber von der deutschen Kolonialzeit und den deutschen Orten in China haben sie keine Ahnung. In Deutschland wird sehr wenig über diese Geschichte erzählt.

Gibt es Orte im Stadtraum, wo Sie Möglichkeiten sehen, koloniale Spuren zu markieren?

 

Manche Straßen in Hamburg sind nach damaligen Kolonialherrschern benannt. Viele Personen wurden dadurch sogar für das geehrt, was sie getan haben. Zum Beispiel gibt es die Wissmannstraße. Vielleicht könnte daneben auch ein Denkmal oder eine Gedenktafel stehen, die besser informieren könnten?

Wie könnte so ein Denkmal oder eine postkoloniale Erinnerung aussehen?

 

Tja, ich denke dabei eher an das Tsingtao Bier. Vielen Deutschen ist es von Besuchen im Chinarestaurant bekannt. Aber die Hintergrundgeschichte kennen die Leute selten. Ich habe auch Kurse zum Thema gemacht und ich frage die Teilnehmer immer zu Beginn, ob sie dieses Bier kennen und viele sagen: „Ja sicher, aber das schmeckt nicht.“ Und ich erkundige mich, was sie von der Verbindung zwischen Tsingtao (Qingdao) und Deutschland wissen. Aber da haben die meisten keine Ahnung.

Vielleicht könnte man über das Lieblingsgetränk der Deutschen eine Veranstaltung machen. Das ist meine Idee, mein Vorschlag. Ich weiß nicht, ob das machbar wäre. Ich weiß nicht, ob Deutsche damals in der Kolonialzeit auch in Afrika Bierbrauereien und eigene Biermarken errichtet haben; wenn ja, könnte man das bei einer solchen Veranstaltung zusammenbringen. Da könnte man einen Probierstand mit verschiedenen Bieren machen und gleichzeitig über die deutsche Beteiligung an den kolonialen Verbrechen informieren. Auf ein normales Denkmal können wir nur Wörter schreiben, aber mit solchen beweglichen Ständen könnte man die Aufklärung interessanter gestalten.